Hervorgegangen aus einer Universitätsveranstaltung (Sozialpsychiatrie 1989 in Hamburg), wo sich Dorothea Buck als ehemalige Psychoseerfahrene interviewen ließ, entwickelte sich die Idee des Psychoseseminars als TRIALOG zwischen Psychoseerfahrenen, Angehörigen und Profis.
Nachdem auf dem 14. Weltkongress für Soziale Psychiatrie 1994 in Hamburg der Begriff des "Trialog" der weiteren Öffentlichkeit bekannt gemacht wurde, greifen Psychoseseminare in der Psychiatrielandschaft um sich.
In Königs Wusterhausen veranstalten wir bereits seit 1995 kontinuierlich an jedem letzten Montag im Monat diese "Trialogischen Psychoseseminare" mit Betroffenen, Angehörigen und Professionellen.
Auch in diesem Jahr laden wir Sie wieder herzlich ein, sich am Trialog zu beteiligen. Seien Sie jedoch gewarnt, Sie könnten erheblich verunsichert werden.
Aber selbstverständlich, Sie wissen wie man Psychosen behandelt, Sie machen das tagein tagaus, man kann Ihnen doch nichts vormachen, Sie schauen hinter die Kulissen, Sie sind sich da ganz sicher, dafür haben Sie schließlich lange genug studiert. Und in Ihrem Berufsalltag werden Sie in Ihrem Expertentum täglich bestätigt. Sie verordnen, verabreichen Medikamente, die den Wahn vertilgen, Sie machen Behandlungspläne und Gutachten, täglich treffen Sie Entscheidungen, die weit in das Leben Ihrer Patienten eingreifen.
Natürlich, Sie sorgen sich, Sie helfen wo Sie können, Sie geben sich selbst auf für Ihre Kinder, Ihre Eltern, Ihre Partner. Sie wissen was richtig und gut ist für andere, schließlich sind Sie nicht verrückt, Sie wissen, wie man sein Leben wieder auf die Reihe kriegt, schließlich sind es ja die anderen, die abgestürzt sind.
Aber ja doch, Sie haben Ihren Platz: Der Psychiater hat in Ihnen den Patienten, Ihre Mitmenschen haben in Ihnen die arme Wurst, das schwarze Schaf, die Sozialarbeiter haben in Ihnen den Rehabilitanden, die Leute in der Beratungsstelle haben in Ihnen den Besucher, alle kümmern sich um Sie, ob Sie nun wollen oder nicht.
Was alles so im Psychoseseminar passiert:
Psychiater wissen es auch nicht, Angehörige sind mit ihrem Latein am Ende, Psychotiker erklären wie die Welt läuft, Psychologen haben Angst, Eltern wundern sich über den Quantensprung ihrer Tochter, Betroffene machen sich Sorgen um die Gesundheit und seelische Stabilität ihrer Eltern, Sozialarbeiter stellen wirklich wesentliche Fragen, Angehörige sprechen sich von Schuld frei, Psychotiker wissen was schief läuft in der Psychiatrie (und sagen das auch noch!). Grenzen zwischen "gesund" und "krank" werden unscharf, die "Schwachen" werden stark und die "Starken" offenbaren ihre Schwächen. Alles interessiert, nur der eingeschränkte Scheuklappenblick der Rolle nicht, weder die "Helfernummer" noch die "Krankenrolle" sind von Belang.
Verunsichernd, unglaubwürdig, unrealistisch?
Na ja, schon . . . aber seit vielen Jahren versuchen wir es gemeinsam jeden letzten Montag im Monat von sechs bis acht am Abend.
› Andreas Horstmann